Junge Welt vom 8.6.05
»Die Räumung war behördlicher Vandalismus«
Polizei ließ Hüttendorf bei Borgholzhausen plattwalzen. Aktionen gegen Autobahnbau sollen aber weitergehen. Ein Gespräch mit Dieter Rahmann*
* Dieter Rahmann protestiert mit vielen anderen Umweltaktivisten seit zwölf Jahren gegen den Bau der Autobahn zwischen Bielefeld und Osnabrück. Das Hüttendorf, das die Trasse blockierte, wurde am Montag von der Polizei geräumt.
F: Seit zwölf Jahren versuchen Sie, mit Hüttendörfern den Bau der Autobahn zwischen Osnabrück und Bielefeld zu verhindern. Das Dorf bei Borgholzhausen wurde am Montag von der Polizei geräumt – wie lief das ab?
Sehr unprofessionelll, ohne jede gerichtliche Anordnung. Ein gutes Dutzend Beamte kam, muffelte über den Platz und kündigte an, es werde in einer Stunde geräumt. Es dauerte aber nicht einmal 15 Minuten, bis sie die sechs Hütten mit Baggern plattwalzen ließen. Die Bauwagen wurden weggeschleppt. Die acht Bewohner des Dorfes konnten nicht einmal ihre persönlichen Sachen herausholen. Das war ein Polizeiüberfall, das war behördlicher Vandalismus.
F: Was ist an persönlichem Eigentum zu Bruch gegangen?
Alles, was man sich vorstellen kann: Musikinstrumente, Bilder, Möbel, Bekleidung, Bücher. Die Polizei ließ sogar den Stall zerstören, in dem noch Hühner waren. In einer Hütte war noch eine Katze – wir hatten darum gebeten, sie erst herausholen zu dürfen. Nicht einmal das durften wir.
F: Wo kommen die Bewohner des Hüttendorfes jetzt unter?
Die Gemeinde hatte angeboten, sie in der Obdachlosenunterkunft unterzubringen. Darauf ist letztlich jedoch niemand eingegangen.
F: Wie hat die Polizei dieses Vorgehen begründet?
Gar nicht. Zunächst hieß es, wegen »Gefahr im Verzuge« müsse geräumt werden. Eine zweistöckige Hütte sei einsturzgefährdet, außerdem bestehe Brandgefahr. Und das, obwohl dort seit Monaten weder ein Ofen benutzt wird, noch ein offenes Feuer brennt.
F: Und was sind die wirklichen Gründe?
Der Besitzer des Grundstückes ist ein CDU-Mitglied, Benedikt Freiherr Teuffel zu Birkensee. Der ließ zur Unterstützung der Polizei seine untergebenen Bauern anrücken. Wir hatten dem Herrn vor sechs Jahren dieses Grundstück mehr oder weniger abgetrotzt – unter Zeugen hatte er uns mündlich versichert, daß wir dort in Hütten und Bauwagen wohnen bleiben können. Auch die Polizei hatte damals an diesen Gesprächen teilgenommen. Damit haben wir eine Art Nutzungsvertrag. Wenn er den hätte annullieren wollen, hätte er ein halbes Jahr lang zivilrechtlich klagen müssen. Um uns loszuwerden, hat er jetzt mit Hilfe seiner CDU-Seilschaften die verwaltungsrechtliche Variante genutzt.
F: Vor fünf Jahren wurde an anderer Stelle schon einmal ein Hüttendorf geräumt. Waren Sie auch dabei?
Ja. Der Unterschied war, daß das besetzte Gelände dem Straßenbauamt gehörte. Und es gab immerhin eine gerichtliche Verfügung.
Das Straßenbauamt will jetzt die Räumungskosten in Höhe von 75 000 Euro von uns erstattet haben. Auf der Rechnung tauchen allerdings eigenartige Positionen auf, wie etwa das Abfahren von Schutt, den das Straßenbauamt selbst dort abgekippt hatte. Das Geld haben wir natürlich nicht, einige von uns stehen daher jetzt vor dem Offenbarungseid. Weil ich mich geweigert habe, wurde ich vom Gericht zu Erzwingungshaft verurteilt. Ich legte dagegen Verfassungsbeschwerde ein, die jedoch abgelehnt wurde. Kann sein, daß ich in einigen Tagen oder Wochen deswegen in den Bau muß.
F: Wie wollen Sie jetzt weiter gegen den Bau der Autobahn vorgehen?
Da unser Nutzungsrecht für diesen Platz nach wie vor besteht, haben wir dort einen Bauwagen hingestellt, den wir in Reserve hatten. Dort werden mehrere von uns weiter wohnen. Offiziell lagern wir in dem Wagen unser Werkzeug, mit dem wir die Trümmer aufräumen, die bei der Räumung entstanden. Wir brauchen möglichst viele Leute, die uns beim Aufräumen unterstützen, wir werden aber auch weitere Aktionen gegen die Betonierung des Waldes planen.
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